Politische und staatliche Kennziffern

Staatsform Parlamentarische Republik1
Regierungssystem Parlamentarisches System2
Human Development Index 0,8283
Einwohnerzahl 9,9 Mio.4
Einwohner / km² 107,55

Mediensystem, Medienmarkt

Organisationsform der Presse

Die Organisationsform des Pressesystems lässt sich als privat-kommerziell bezeichnen. Die größten Medienunternehmen sind dabei großen Privatfernsehgesellschaften zuzuordnen.6 Zudem lässt sich festhalten, dass sich unter den 20 größten Medienunternehmen nur eines zu 100 Prozent im Besitz eines ungarischen Unternehmens befindet.7

Konzentration des Pressemarkts

Der ungarische Pressemarkt wird von Printmedien dominiert, die sich im Besitz ausländischer Unternehmen befinden. Allerdings scheint die repressive Medienpolitik der Orbán-Administration ausländische Investoren zunehmend abzuschrecken. Erste Tendenzen einer Re-Nationalisierung des Medienmarktes sind Fachleuten zufolge zu erkennen.8 In Ungarn lassen sich zehn nationale und 24 lokale Tageszeitungen ausmachen.9 Tageszeitungen und Zeitschriften bilden im hoch konzentrierten Markt oftmals Informationsmonopole , wobei die nationale Tageszeitung Metropol mit einer täglichen Auflage von 250.000 Exemplaren (Stand 2009) als beliebteste Tageszeitung in Ungarn gilt.10 Bezüglich der Mediennutzung (62 Min./Tag) und der Reichweite (31%) belegen die Tageszeitungen und Zeitschriften im Vergleich zum Hörfunk und Fernsehen im Jahr 1999/2000 den dritten Platz.11

Organisation des Rundfunks

Bezüglich der Mediennutzung (62 Min./Tag) und der Reichweite (31%) belegen die Tageszeitungen und Zeitschriften im Vergleich zum Hörfunk und Fernsehen im Jahr 1999/2000 den dritten Platz.12 Sowohl hinsichtlich der Reichweite als auch der Hördauer in Min./Woche gehören Danubius und Sláger 2006 zu den Top 3 der meistgehörten Radioprogramme in Ungarn.13 Das Alter der Hörerschaft kann bei diesem Medium ausschlaggebend sein: Während sich die Hörer bis 49 Jahre dem Programm der Privatsender widmen, tendieren die über 50 Jährigen eher zum Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkstationen.14 Der Hörfunk belegt bezüglich der Mediennutzung (124 Min./Tag) und Reichweite (44,1%) im Jahr 1999/2000 den zweiten Platz.15

Konzentration des Rundfunkmarktes

Durch das verabschiedete Mediengesetz von 1996 waren die ersten Schritte für das heutige duale Rundfunksystem in Ungarn getan.16 Dies geschah nach dem Vorbild der westlichen Industrieländer.17 Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist mit einer Frequenzkette unter Magyar Televizio Zrt und Duna TV vertreten.18 Bei näherer Betrachtung des Fernsehmarktes lassen sich zwei dominierende Privatkanäle festhalten: RTL Klub und TV2.19 Das Medium Fernsehen stellt im Jahr 1999/2000 das am meisten genutzte Medium (201 Min./Tag) Ungarns mit der stärksten Reichweite (89,8%) dar.20 Die ungarische Medienaufsicht ist hochgradig zentralisiert: Das staatliche Ministerium für Information und Kommunikation koordiniert unterdessen alle regulatorische Aktivitäten. Es schuf vor einiger Zeit die Superbehörde NMHH, die aus dem Zusammenschluss der nationalen Kommunikationsbehörde (NHH) und der nationalen TV und Radio-Kommission hervorging.21

Organisation des Internets

Bezüglich der Online-Medien ist zunächst festzuhalten, dass der Anteil an Menschen, die Zugang zum Internet haben, in den letzten Jahren gestiegen ist. So besaßen im Jahr 2000 nur 3 Prozent der Erwachsenen (15+) Internetzugänge, im Jahr 2006 waren es schon 21 Prozent22. Als die wichtigsten ungarischen Web-Domains gelten Orgio, ein Nachrichtenportal, Startlap, ein Link-Sammler und Index, wiederum ein Nachrichtenportal.23 Durch das Web 2.0 konnten sich auch soziale Netzwerke wie iwiw.hu oder mywip.com etablieren.24 Durch den Aufkauf unterschiedlicher Netzwerk-Portale und Webseiten, unter anderem iwiw.hu im Jahr 2006, konnte T-Online seine dominante Stellung auf dem Online-Markt behaupten.25

Kommunikative Grundordnung – Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit in…

…der Verfassungstheorie

Die Presse-, Informations- und Medienfreiheit ist durch das Pressegesetz von 1986 wie auch durch das Mediengesetz von 1996 in der Verfassung verankert.26 Die Einführung neuer Medienangebote, die redaktionelle Freiheit sowie ein Zensurverbot werden hiermit gesichert. Volksverhetzung wird durch das Strafgesetzbuch geregelt und  strafrechtlich verfolgt.27

…den Landesgesetzen

2010 erhielt die Pressefreiheit durch die neue Mediengesetzgebung der Regierung Orbán erhebliche Einschränkungen, da die regierende Partei mehr Kontrolle über die Medienlandschaft bekam und somit mehr Druck ausüben kann.28 Nicht nur Medieninhalte, sondern auch ihre Strukturen wurden wesentlich verändert. Mit dem Freedom of the Press Act und dem Mass Media Act) wurde die Medienaufsicht in Ungarn vollkommen zentralisiert. Seitdem wacht eine einzige Behörde darüber, dass Printtitel, Fernseh- und Radiosender sowie Internetseiten nicht die Werte und das Ansehen des Landes beschädigen. Der politisch gefügige Medienrat hat dementsprechend die Macht, die Berichterstattung sämtlicher Medien zu überwachen und zu beschränken.29 Die Mediengesetzte wurden auf internationalen Druck der europäischen Kommission hin in den folgenden Jahren 2011 und 2012 jedoch wieder leicht entschärft. In Kraft blieb aber ein neuer Verfassungszusatz, der die Macht des Verfassungsgerichts schwächt, Gesetze wie Orbáns Mediengesetz rückwirkend für verfassungswidrig zu erklären.30

…der Regulierung des Presse- und Rundfunkmarkts

Die Verbreitung gefährdender Inhalte und die Regulierung der Eigentumsrechte audio-visueller Medien auf dem Medienmarkt kontrolliert die Institution ORTT (Nationale Komitee für Radio und Fernsehen). Sie versteht sich als ein nationales Radio- und Fernsehgremium, das aus Vertretern des Parlaments gewählt wird.31

…der Regulierung des Internets

In Ungarn ist das Internet den anderen Medien im Mediensystem gleichgestellt. Demnach unterliegt es keinen weiteren spezifischen gesetzlichen Regelungen.32 2005 wurde ein neues Gesetz bezüglich neuer, digitaler Medien verabschiedet, das die Regierung dazu verpflichtet, relevante Informationen über ihre Arbeit der Bevölkerung über das Internet zur Verfügung zu stellen.33

Indizes Korruption und Pressefreiheit

Freedom of the Press

Ranking: 71

Score: 37

34,35 Betrachtet man die Jahre ab 2011, wird eine stetige Verschlechterung der Pressefreiheit unter der Regierung Orbán in Ungarn ersichtlich. Die Organisation Freedom House stufte Ungarn 2010 noch als „frei“ ein, ab 2011 dann als „teilweise frei“. Mit einer Punktzahl von 37 kann eine weitere Verschlechterung der Pressefreiheit um 7 Punkte im Vergleich zu 2010 verzeichnet werden. Ursache für diese Entwicklung ist unter anderem der politische Druck der Regierung auf private Medienbesitzer, die den Pressemarkt beherrschen.

Freedom on the Net

Ranking: 11

Score: 24

36,37 Bei der Untersuchung der Presse-, Informations-und Medienfreiheit im Internet wird das Medium Internet mit einer Punktzahl von 24 in Ungarn als „frei“ eingestuft. Die Anzahl der Menschen mit Internetzugang nimmt zu. 74% der Bevölkerung hatten 2014 einen Internetzugang.38

Democracy Score

Ranking: 8

Score: 3.18

39,40 Beim Democracy Score, der jährlich durch die Organisation Freedom House vergeben wird, erzielt Ungarn den Wert 3.18. Dieser Wert steht für eine mittelmäßig konsolidierte Demokratie.

Reporter ohne Grenzen

Ranking: 65

Score: 27,44

41,42 Diese sich seit Jahren verschlechternde Position Ungarns wird mit den Mediengesetzen von 2010 begründet, deren zentrale und politiknahe Regulierung sowie die unklaren Formulierungen der Regierung Zensur und die Ausübung von Druck auf die freie Presse ermöglichen.43

Transparency International

Ranking: 50

Score: 51

44,45 2014 wurde Ungarn auf Platz 47 angesiedelt. Demnach kann eine weitere Verschlechterung der Situation im öffentlichen Sektor festgestellt werden.46

Wissenschaftliche Einteilung in Pressetypen

Contingency Model of Communication

Betrachtet man nach dem Contingency Model of Communication zunächst die Offenheit bzw. Geschlossenheit von Produktions- und Rezeptionssystemen, so kann Ungarn nicht direkt einem Modell zugeordnet werden. Dennoch ist nach der Gesetzgebung von 2010 ein Muster erkennbar, das dem Modell der geschlossenen Produktion und offenen Rezeption nahe kommt.

 Hinsichtlich des Medienbesitzes und der Medienkontrolle gestaltet es sich schwieriger, Ungarn einzuordnen. Neben privatem Medienbesitz lässt sich ebenfalls öffentlicher Besitz in Ungarn konstatieren.47 Auch die Medienkontrolle kann mithilfe dieses Modells nicht genau bestimmt werden, da das Medium Internet in Ungarn, laut der Organisation Freedom House, als „frei“ bezeichnet worden ist.48

Eine klare Zuordnung diesbezüglich ist nicht möglich.

Um Ungarn hinsichtlich der Kommunikationsrechte einzuordnen, bedürfte es einer Mischform der aufgeführten Modelle. Aufgrund dessen ist eine klare Zuordnung auch hier nicht möglich.

Comparing Media System

Ungarn in diesen Ansatz einzuordnen, gestaltet sich ebenfalls sehr schwierig, da das Modell aufgrund einer empirischen Analyse westeuropäischer und nordamerikanischer Demokratien entstanden und nicht für osteuropäische Staaten gedacht ist.49

Pragmatischer Differenz-Ansatz

Folgende Dimensionen dieses Ansatzes lassen sich Ungarn zuordnen:

Dem Regierungssystem zufolge ist Ungarn eine Demokratie (Linie A). Die Dimension der politischen Kultur kann als ambivalent angesehen werden (Linie B). Die Medienfreiheit in Ungarn lässt sich nach der Gesetzgebung im Jahr 2010 in die mittlere Linie B (fallweise Zensur) einordnen. Den Medienbesitz betreffend wird Ungarn wiederum der Linie B zugeordnet, da öffentlicher sowie privater Medienbesitz festgestellt werden kann. Aus diesem Grund erfolgt die Medienfinanzierung in Ungarn durch öffentliche sowie private Einnahmequellen, was wiederum der Linie B entspricht. Die Nähe der Medien zu den politischen Parteien sowie die Staatskontrolle über die Medien können seit 2010 als mittelmäßig gesehen werden (Linie B). Aussagen zur Medienkultur und zum Journalismus in Ungarn können, aufgrund fehlender Quellen, nicht getroffen werden. Was die Dimension der Medienorientierung betrifft, kann Ungarn als divergent betrachtet werden (Linie B).

Es ist anzumerken, dass keinerlei Ausprägungsgrade der jeweiligen Merkmale des Mediensystems durch dieses Modell festgestellt werden können. Demnach ist diese Einordnung als eine Annäherung an die Merkmale des Modells zu verstehen.

Typologie defekter Mediensysteme

Ungarn befindet sich im Kontext der Typologie defekter Mediensysteme in der ersten Phase der Entkopplung. Diese geschieht auf der Ebene der Medienorganisationen sowie der Ebene des Journalismus.50

Four Theories of the Press

Das Mediensystem Ungarns in den Ansatz der Four Theories of the Press einzuordnen, stellt ein schwieriges Unterfangen dar, da dieses Modell von vier streng schematischen Dimensionen ausgeht und die Ausprägungen dynamischer Prozesse lediglich Annäherungswerte verdeutlichen.

Stand: Februar 2016

Quellen

1 Vgl Wikipedia: Ungarn. https://de.wikipedia.org/wiki/Ungarn, Zugriff am 20.01.2016.

2 Vgl. Ebd.

3 Vgl. Ebd.

4 Vgl. Ebd.

5 Vgl. Ebd.

6 Vgl. Szekfü, András /Somogyi, Zoltán (2009): Ungarn. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien.Baden-Baden. S.701.

7 Vgl Ebd. S.701.

8 Vgl. Beke, Dániel: Hungary. http://ejc.net/media_landscapes/hungary#link_808, Zugriff am 20.01.2016.

9 Vgl. Ebd.

10 Vgl. Ebd.

11 Vgl. Szekfü, András /Somogyi, Zoltán (2009): Ungarn. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S.701.

12 Vgl. Ebd. S.706.

13 Vgl. Ebd. S.706.

14 Vgl. Beke, Dániel: Hungary. http://ejc.net/media_landscapes/hungary#link_808, Zugriff am 20.01.2016.

15 Vgl. Szekfü, András /Somogyi, Zoltán (2009): Ungarn. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S.701.

16 Vgl. Beke, Dániel: Hungary. http://ejc.net/media_landscapes/hungary#link_808, Zugriff am 20.01.2016.

17 Vgl. Ebd.

18 Vgl. Szekfü, András /Somogyi, Zoltán (2009): Ungarn. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S.707.

19 Vgl. Ebd. S.707.

20 Vgl. Ebd. S.701.

21 Vgl. Ebd. S.708.

22 Vgl. Ebd. S.709.

23 Vgl. Ebd. S.708.

24 Vgl. Ebd. S.708.

25 Vgl. Beke, Dániel: Hungary. http://ejc.net/media_landscapes/hungary#link_808, Zugriff am 20.01.2016.

26 Vgl. Ebd.

27 Vgl. Freedom House: Freedom of the Press. Hungary. https://freedomhouse.org/report/freedom-press/2015/hungary, Zugriff am 21.01.2016.

28 Vgl. Tagesschau: Pressefreiheit im EU-Land Ungarn in Gefahr. 21.12.2010. https://www.tagesschau.de/ausland/ungarn200.html, Zugriff am 23.01.2016.

29 Vgl. Freedom House: Freedom of the Press. Hungary. https://freedomhouse.org/report/freedom-press/2015/hungary, Zugriff am 21.01.2016.

30 Vgl. Beke, Dániel: Hungary. http://ejc.net/media_landscapes/hungary#link_808, Zugriff am 20.01.2016.

31 Vgl. Szekfü, András /Somogyi, Zoltán (2009): Ungarn. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S.707. Szekfü, András /Somogyi, Zoltán (2009): Ungarn. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S.708.

32 Vgl. Beke, Dániel: Hungary. http://ejc.net/media_landscapes/hungary#link_808, Zugriff am 20.01.2016.

33 Vgl. Freedom House: Freedom of the press. https://freedomhouse.org/sites/default/files/FreedomofthePress_2015_FINAL.pdf, Zugriff am 27.01.2016.

34 Vgl. Ebd.

35 Vgl. Freedom House: Freedom on the Net 2015. https://freedomhouse.org/sites/default/files/FOTN%202015%20Full%20Report.pdf, Zugriff am 27.01.2016.

36 Vgl. Freedom House: Freedom on the Net. Hungary. https://freedomhouse.org/report/freedom-net/2015/hungary, Zugriff am 21.01.2016.

37 Vgl. Ebd.

38 Vgl. Freedom House: Hungary. https://freedomhouse.org/report/nations-transit/2015/hungary, Zugriff am 21.01.2016.

39 Vgl. Ebd.

40 Vgl. Reporter ohne Grenzen: Ungarn. https://www.reporter-ohne-grenzen.de/ungarn/, Zugriff am 21.01.2016.

41 Vgl. Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2015. https://www.reporter-ohne-grenzen.de/uploads/tx_lfnews/media/Rangliste_der_Pressefreiheit_2015.pdf. Zugriff am 27.01.2015.

42 Vgl. Ebd.

43 Vgl. Transparency International: Corruption Perceptions Index 2014: Results. http://www.transparency.org/cpi2015#results-table, Zugriff am 27.01.2016.

44 Vgl. Ebd.

45 Vgl. Transparency International: Corruption Perceptions Index 2014: Results. http://www.transparency.org/cpi2014/results, Zugriff am 27.01.2016.

46 Szekfü, András /Somogyi, Zoltán (2009): Ungarn. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S.701.

47 Freedom House: Freedom on the Net. Hungary. https://freedomhouse.org/report/freedom-net/freedom-net-2015, Zugriff am 21.01.2016.

48 Vgl. Blum, Roger (2005): Bausteine zu einer Theorie der Mediensysteme. In. Medienwissenschaft Schweiz 2/2005, S.7.

49 Vgl. Töpfl, Florian (2011): Mediensysteme in Transformationsprozessen. Wie entstehen pluralistische Mediensysteme – und warum nicht? Baden-Baden. S.250.