Politische und staatliche Kennziffern

Staatsform  Parlamentarische Republik
Regierungssystem  Parlamentarische Demokratie
Human Development Index  0,840
Einwohnerzahl  1.313.271 (Jan.2015)
Einwohner / km²  281

Mediensystem, Medienmarkt

Organisationsform der Presse

Der Pressemarkt in Estland ist seit den 1990er Jahren privat-kommerziell. Die Privatisierung der zuvor staatseigenen Zeitungen war entscheidend für die Entwicklung der estnischen Medienlandschaft. In vielen anderen postkommunistischen Ländern gelangte der Medienbesitz vor allem in ausländische Hand, Estland hingegen war durch bestehende redaktionelle Gruppen in der Lage, eine Privatisierung der Zeitungen selbst vorzunehmen.2 Mit der steigenden Privatisierung sind immer mehr ausländische Investoren auf den estnischen Pressemarkt aufmerksam geworden. Dies betrifft insbesondere Skandinavien, dessen Einfluss auf den estnischen Zeitungsmarkt besonders deutlich ist, zum Beispiel bezüglich des journalistischen Stils und der Aufmachung der Zeitungen.3

Im Vergleich zu anderen nordeuropäischen Ländern hat Estland für die Presse kein festes Subventionssystem. Durch das schnelle wirtschaftliche Wachstum kann Estland jedoch eine Erhöhung der Werbeeinnahmen in der Presse vorweisen. Die hauptsächlichen Einnahmequellen sind Anzeigen (40%), Abonnements (40%) und der Erlös durch den Einzelverkauf (20%).

Konzentration des Pressemarkts

Gemessen an der Größe des Landes und der geringen Einwohnerzahl ist die Medienlandschaft in Estland groß und vielfältig. Im Jahr 2006 gab es 71 Zeitungen sowie 150 Zeitschriften.4 Estland ist das einzige Land innerhalb der EU, in dem die Auflagen für Zeitschriften zurzeit steigen. Die größten estnischsprachigen Zeitungen sind Postimees (Auflage 58.000), die Boulevardzeitung Öhtuleht (Auflage: 51.000) und Eesti Päevaleht (Auflage 31.000).5 Postimees gehört zum norwegischen Schibsted-Konzern, Eesti Päevaleht zum estnischen Medienkonzern Ekspress Grupp, die Zeitung Öhtuleht teilen sich die beiden Medienkonzerne. Ein weiterer wichtiger Medienkonzern ist die schwedische Bonnier Gruppe. Der Großteil des estnischen Pressemarktes wird daher von skandinavischem Medienkapital beherrscht.6

In Estland erscheinen auch einige russischsprachige Zeitungen, da rund ein Drittel der estnischen Bevölkerung russisch ist.7 Jedoch gehen die Auflagenzahlen bei den russischsprachigen Zeitungen kontinuierlich zurück.

Organisation des Rundfunks

Die Rundfunk- und Fernsehlandschaft in Estland ist von einem dualen System geprägt, das heißt, es existieren sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sendeanstalten. Finanziert wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch “staatliche Subventionen und Einnahmen aus verschiedenen Programm- und technischen Dienstleistungen.”8 Seit 2002 ist Werbung in den öffentlichen-rechtlichen Sendern verboten, da der Druck gegenüber privaten Sendern gestiegen ist. Die privaten Fernsehsender sind ausnahmslos in den Händen ausländischer Firmen wie z.B. Skandinaviens größtem Medienkonzern MTG (Modern Times Group).9

Konzentration des Rundfunkmarktes

Im estnischen öffentlichen Hörfunk existieren vier landesweite und ein lokaler Sender. Diese gehören der landesweiten Sendeanstalt Eesti Rahbusringhääling (ERR) an. Der öffentlich-rechtliche Radiosender Vikerraadio ist mit einem Anteil von 30 Prozent Marktführer. Daneben gibt es noch private Sender der Sky Media Group, der Trio LSL Raadiogrupp und der schwedischen MTG. 70 Prozent der Radiosender sind estnischsprachig, 30 Prozent senden in russischer Sprache.10
Auch in Hinblick auf die Fernsehlandschaft hat der öffentlich-rechtliche Sender Eesti Television (ETV) den größten Marktanteil (15,6%) und ETV2 einen Marktanteil von 3,3 Prozent Die privaten Sender wie Kanal2 und TV3 hingegen haben einen Marktanteil von 15,1 und 10,8 Prozent.11 Durch die starke Konzentration im estnischen Medienmarkt ist die Konkurrenz zwischen den Fernsehkanälen sehr groß. Seit Januar 2006 gibt es keine russischen Fernsehsender im Kabelprogramm mehr.12 Zuvor ist der Rundfunkmarkt in Estland stark gewachsen: Im Jahr 2000 betrug der Sendeumfang 32.000 Stunden, von 1993 -2005 hat sich der Umfang nahezu verachtfacht.13 Für die Esten ist der Rundfunk weiterhin die Hauptinformationsquelle.

Organisation des Internets

Für Estland liegen diesbezüglich keine Daten vor.

Kommunikative Grundordnung – Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit in…

…der Verfassungstheorie

In der Verfassung von 1992 ist die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, Zensur ist nicht erlaubt. Jedoch unterliegt dieses Gesetz gewissen Ausnahmen, die in Art. 45 aufgelistet sind: “Diese Rechte finden ihre Schranken in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Sittlichkeit, Rechte und Freiheiten, Gesundheit, Ehre und des guten Namens anderer Menschen”.14

In der Verfassung ist bis auf das Rundfunkgesetz kein allgemeines Mediengesetz zu finden

…den Landesgesetzen

Aspekte der öffentlichen Kommunikation werden im “Copyright-Gesetz” (1992), Handelsgesetzbuch (1995), “Gesetz über Werbung” (1997) sowie im “Gesetz über die öffentliche Information” (2000) geregelt.15 2011 wurde auf Drängen der EU ein “Media Services Act” eingeführt. Dieser verpflichtet unter anderem alle Sender, mindestens 5 Prozent der Sendezeit mit selbstproduzierten Nachrichten zu bestreiten.

Die Presse- und Meinungsfreiheit wird in Estland selten in Frage gestellt. Jedoch haben sich einige Journalisten, wie beispielsweise Aino Siebert, die Herausgeberin des Baltikum-Blatts, kritisch über die fehlende Distanz zwischen Politik und Journalismus geäußert. Durch die geringe Einwohnerzahl Estlands kennen sich Politiker und Journalisten oft sehr gut oder sind sogar verwandt. Dies könne Auswirkungen auf die Berichterstattung haben.16

…der Regulierung des Presse- und Rundfunkmarkts

Der Pressemarkt in Estland wird durch einen Presserat (EPC) reguliert. Dieser fungiert nicht nur als “Vermittler zwischen den Medien und der Öffentlichkeit, sondern im weitesten Sinne auch als medienkritisches Organ.”17 Fünf der insgesamt zehn Mitglieder sind Chefredakteure (Stand 2007). Die Verlegervereinigung ENA finanziert den Presserat, welcher folglich “vollständig von Medienbesitzern und -managern kontrolliert wird.”18 Nach wie vor ist es auf dem estnischen Pressemarkt der Fall, dass die Zeitungen selten auf die Kritik seitens des Presserats reagieren. “Auf diese Weise wird einer kritischen Diskussion in den estnischen Medien ausgewichen”.19 Auf das Jahr gerechnet befasst sich der EPC mit rund 24 Beschwerden aus der Öffentlichkeit bezüglich Veröffentlichungen.

Der estnische Rundfunk wird durch den Rundfunkrat reguliert. Jeweils ein Vertreter von jeder Parlamentsfraktion gehört dem Rundfunkrat an, zusätzlich sind vier Experten aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft miteinbezogen.20 Prinzipiell ist in Estland jeder Bürger dazu berechtigt, “eine Sendestation zu gründen, allerdings ist eine Lizenz des regierungsunabhängigen Kommunikationsamts, das als Regulierungsbehörde fungiert, nötig.”21

…der Regulierung des Internets

Estland gilt als ein digitalisiertes Land. Durch die Regierung ist ein kostenfreier Internetzugang garantiert, beispielsweise in Hotels, Cafés oder Bars. Im Jahr 2007 waren in Estland bereits 1153 WLAN-Spots eingerichtet. Bei der letzten Parlamentswahl konnten die wahlberechtigten Bürger ihre Stimme sogar elektronisch abgeben. Online-Medien haben in Estland eine enorme Bedeutung, sodass mittlerweile alle Tageszeitungen mit Online-Redaktionen ausgestattet sind.22

Reguliert wird das Internet seit dem 1.Mai 2004 durch das “Information Society Services Act”.23

Indizes Korruption und Pressefreiheit

Freedom of the Press

Ranking: 12

Score: 16

Estland gehört aufgrund seiner vielfältigen Medienlandschaft, seiner präzisen Mediengesetzte und einer weitgehend staatsfernen Medienregulierung seit Jahren zur Spitzengruppe im Freedom House Ranking.

Im Vergleich zum Vorjahr unverändert.24

Freedom on the Net

Ranking: k.A.

Score: 7

Im Vorjahr hatte Estland einen Score von 8 und sich damit um einen Platz verbessert. Dies könnte mit den Persönlichkeitsrechten im Internet zusammenhängen, an denen Estland stetig weiterarbeitet, um sie zu verbessern.25

Democracy Score

Ranking: 2

Score: 1.96

Im Vergleich zum Vorjahr unverändert.26

Reporter ohne Grenzen

Ranking: 10

Score: 11,19

Hier gilt wie bei Freedom House: Estland gehört seit Jahren zur Spitzengruppe im RoG-Ranking

Aktuell hat sich Estland zum Vorjahr 2014 um einen Platz verbessert.27

Transparency International

Ranking: 23

Score: 70

Im Jahr 2014 hatte Estland einen Score von 69, sodass hier eine leichte Verbesserung zu konstatieren ist.28

Wissenschaftliche Einteilung in Pressetypen

Contingency Model of Communication

Rezeptionssystem Typ 1B: Sowohl das

Rezeptionssystem Estlands als auch die Massenkommunikation befinden sich in einem offenen Modell.

Medienbesitz Typ 2C: Der Medienbesitz in Estland ist in privater Hand, die Regulierung und Kontrolle wird dezentral vollzogen.

Kommunikationsrechte Typ 3D: Sozialverantwortungsmodell. Die Gesellschaft hat das Recht zu senden, das Individuum das Recht zu empfangen.

Comparing Media System

Nord/Zentraleuropäisches oder demokratisch-korporatistisches Modell. Die estnische Presse hat eine starke öffentliche Funktion, der Staat schützt diese mit der garantierten Pressefreiheit

Pragmatischer Differenz-Ansatz

Liberal-ambivalentes Service-public-Modell: Rundfunk und Printmedien sind in Estland service-public orientiert.

Typologie defekter Mediensysteme

Estland besitzt ein demokratisch-entkoppeltes Mediensystem. Weiter lässt es sich in ein pluralistisches Mediensystem ohne maßgebliche Defekte einteilen, da die kommunikationspolitisch umfangreich gewährte Pressefreiheit in der Praxis weitgehend ohne große Einschränkungen umgesetzt wird.

Four Theories of the Press

Liberalismus Modell. Die Regierung sieht keine Zensur vor, die Medien sind im privaten Besitz.

Stand: Februar 2016

Quellen

1 Vgl. Wikipedia: Estland. https://de.wikipedia.org/wiki/Estland, Zugriff am 23.01.2016.

2 Vgl. Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 276.

3 Vgl. Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 276.

4 Vgl. Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 276.

5 Vgl. Institut für Medien- und Kommunikationspolitik: Länderporträt Estland. 27.04.2015. http://www.mediadb.eu/europa/estland.html, Zugriff am 23.01.2016.

6 Vgl. Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 276.

7 Vgl. Liesem, Kerstin / Stegherr, Marc (2010): Die Medien in Osteuropa. Mediensysteme im Transformationsprozess. Wiesbaden. S.276.

8 Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 284.

9 Vgl. Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 284.

10 Vgl. Institut für Medien- und Kommunikationspolitik: Länderporträt Estland. 27.04.2015. http://www.mediadb.eu/europa/estland.html, Zugriff am 23.01.2016.

11 Vgl. Institut für Medien- und Kommunikationspolitik: Länderporträt Estland. 27.04.2015. http://www.mediadb.eu/europa/estland.html, Zugriff am 23.01.2016.

12 Vgl. Liesem, Kerstin / Stegherr, Marc (2010): Die Medien in Osteuropa. Mediensysteme im Transformationsprozess. Wiesbaden. S. 276.

13 Vgl. Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 288.

14 Vihalemm, Peeter (2001): Medien im Transformationsprozess in Estland. In: Thomaß, Barbara / Tzankhoff, Michaela (Hg.): Medien und Transformation in Osteuropa. Wiesbaden. S.103.

15 Vgl. Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 275.

16 Vgl. Liesem, Kerstin / Stegherr, Marc (2010): Die Medien in Osteuropa. Mediensysteme im Transformationsprozess. Wiesbaden. S. 272.

17 Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 275.

18 Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 275.

19 Lauk, Epp / Shein, Hagi (2009). Das Mediensystem Estlands. In: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden. S. 275.

20 Vgl. Institut für Medien- und Kommunikationspolitik: Länderporträt Estland. 27.04.2015. http://www.mediadb.eu/europa/estland.html, Zugriff am 23.01.2016.

21 Institut für Medien- und Kommunikationspolitik: Länderporträt Estland. 27.04.2015. http://www.mediadb.eu/europa/estland.html, Zugriff am 23.01.2016.

22 Vgl. Liesem, Kerstin / Stegherr, Marc (2010): Die Medien in Osteuropa. Mediensysteme im Transformationsprozess. Wiesbaden. S. 277f.

23 Vgl. International Telecommunication Union: Estonia. 04.04.2011. https://www.itu.int/osg/spu/spam/legislation/legislation_estonia.html, Zugriff am 24.01.2016.

24 Freedom House: Freedom of the Press 2015. Estonia. https://freedomhouse.org/sites/default/files/FreedomofthePress_2015_FINAL.pdf, Zugriff am 24.01.2016.

25 Freedom House: Freedom of the Net 2015. Estonia.https://freedomhouse.org/sites/default/files/FOTN%202015%20Full%20Report.pdf, Zugriff am 24.01.2016.

26 Freedom House: Nations in Transit 2015. Estonia. https://freedomhouse.org/report/nations-transit/2015/estonia, Zugriff am 24.01.2016.

27 Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit, Estland. https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2015/, Zugriff am 24.01.2016.

28 Transparency International: Corruption Perceptions Index 2015, Estonia. http://www.transparency.org/cpi2015/results, Zugriff am 27.01.2016.